Samstag, 21. April 2012

21. April 2011

Heute vor einem Jahr ist Mueti gestorben.

Ich denke oft zurück, an die Tage davor, an die Tage danach, daran, was wir zusammen erlebt haben, daran, was es noch alles hätte tun können, wenn...

Dieses "hätte tun können" begleitet mich, macht mich oft genug traurig. Und lässt mich oft mein eigenes Leben reflektieren: Was zählt am Ende?

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Als Kinder haben wir Fünfrappenstücke gesammelt und sie in eine hohe Flasche gesteckt, deren Flaschenhals gerade genug weit war, um die Münzen aufnehmen zu können. Wir haben immer gesagt, dass wir mit dem gesammelten Geld, wenn es denn genug ist, einmal alle zusammen ans Meer fahren werden.

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Meine Eltern haben einen Bauernhof geführt, mein Vater führt ihn immer noch, es gab immer mehr als genug Arbeit und Zeit für freie Tage oder sogar Ferien blieb kaum. So haben wir früh angefangen, solche Wünsche oder Träume wie derjenige vom Meer nicht allzu gross werden zu lassen. Später haben ich wohl kaum mehr daran gedacht, an all die Fünfrappenstücke, die noch irgendwo in der Flasche und in Oblatendosen aufbewahrt blieben und an die Reise ans Meer.

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An einem der letzten Tage hat Mueti diese Reise erwähnt: Wir sassen im Auto, ich war hin- und hergerissen, ob und für wie lange ich meinen Rückflug nach Melbourne hinauszögern sollte, und Mueti sagte plötzlich, etwas trotzig und resigniert, dass es nun wohl wieder nicht mehr reichen würde, mit allen ans Meer zu fahren.

Einen Moment haben wir alle innegehalten. Einen Moment haben wir, wohl alle mit dem Hintergedanken, dass dies die allerletzte Gelegenheit sein könnte, überlegt, ob es möglich wäre.

Zwei Tage später ist Mueti am Morgen nicht mehr aufgewacht.

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Lange hat mich diese Geschichte verfolgt, geplagt. Nicht nur diese Reise ans Meer, aber viele Gelegenheiten, viele Chancen für Verständigung auch, scheinen im Nachhinein verpasst, verronnen.

Es hat eine Weile gedauert zu verstehen: So ist es. Alles, was wir aufschieben, kann verloren sein. Jetzt ist es wohl an mir, zu versuchen, unerschrockener zu werden. Zu erkennen, was getan werden muss. Es zu tun. Zu hoffen, dass es mir, ein kleines Bisschen wenigstens, gelingt.

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Zum letzten Bild: Ich musste schmunzeln, als ich es nach einem Jahr wieder ausgegraben habe. Es wurde am Abend nach der Beerdigung aufgenommen. Es zeigt diesen seltsamen Moment, in dem alles ganz normal weitergeht, obwohl jemand fehlt. Die Blumen aus der Kirche sind zurück, die Socken trocknen in der Abendsonne, jemand hat Kuchen gebracht und die Karte darauf mit einem Stein beschwert, eine Wäscheklammer ist von der oberen Laube runtergefallen.

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